Sonntag, 25. Januar 2015

Schuldig im Sinne der Moral

Schuldgefühle übernehmen

Eiseskälte liegt im Zimmer. Die Luft scheint dick, es knistert als würden überall Blitzes zucken. „Sie sind gefeuert!“ scharf klingt es durch den Raum.
Kerstin sieht, wie sich Tanja und ihr Chef Torsten gegenüberstehen. Er mit geballten Fäusten, Tanja wie erstarrt, die Augen weit aufgerissen.
„Oh Gott! Das musste ja so kommen“ denkt sie „Warum kann sie ihre Klappe nicht halten. Selber schuld. Ich hab sie immer wieder gewarnt.“ Es tut Kerstin leid, sie mag Tanja. Doch was kann Sie denn dafür?
Doch es grummelt in ihrem Bauch, ein ungutes Gefühl macht sich in ihr breit. Warum nur? Sie kann doch wirklich nichts dafür. Nein, das hat sich Tanja selbst zuzuschreiben. Kerstin wendet sich wieder ihrer Arbeit zu, doch so richtig kann sie sich heute nicht mehr konzentrieren.



Schuld anderen zuweisen

Es ist ein großes, freundliches und modernes Büro, das Klaus heute bezogen hat. Ein fast riesiger Schreibtisch mit einer milchig, matten Glasplatte. Die fühlt sich so kühl an. Ja erfrischend. Fast zärtlich streicht Klaus über die glatte Oberfläche. Dieses Büro hatte er sich verdient. So hart arbeitete er für diese Beförderung. Genüsslich lehnt er sich zurück und lässt seinen Blick durch den Raum schweifen. Die großen Fenster - die einen weiten Blick über das Gelände zulassen, den runden Besprechungstisch - mit der Konferenzanlage, den Kalender mit den Motivationssprüchen – ein Blitz durchfährt ihn. Klaus wird blass, fast kreideweiß. Heiß und kalt wechseln sich ab. „Ich hab’s vergessen“ murmelt er entsetzt.
Er – Mister Korrekt – hat einen Termin vergessen. Nicht irgendeinen, nein. Er hat DEN Termin vergessen. Den Termin, der seine Karriere weiter voranbringen sollte. Und nun? Wieso hat seine Sekretärin ihn nicht daran erinnert? Sie muss doch wissen wie wichtig es war. Ja, es ist ihr Job, DURCH SIE hat er nun diesen Termin verpasst. Er kann da nichts dafür. Bei seinem Arbeitspensum. Sie müssen ihm noch eine zweite Chance geben. Ja sie müssen ….

Verantwortung übernehmen

Die Sonne scheint warm und hell. „Ein richtig schöner Tag heute“ denkt Elke, als sie die Einkäufe verstaut. Frischen, knackigen Salat, das zart rosa Fleisch, Erdbeeren und Trauben. Ja, sie wird es heute schön machen. Schließlich ist heute ihr 9. Hochzeitstag. Gerd hat versprochen zeitigen nach Hause zu kommen, damit sie wieder einmal Zeit füreinander haben. Lächelnd und liebevoll drapiert sie die Trauben. Sie freut sich auf das Extra mit Gerd. Summend beginnt sie mit den Vorbereitungen für ihr Candle-Light-Dinner.
Die Faust kracht auf den Tisch. Gerd flucht laut. Erschrocken drehen sich Passanten zu ihm um. Die Stimme war so laut, doch sie sehen eher ein Häufchen Elend mit dem Handy in der Hand im Café sitzen. Die Tasse ist von dem Schlag hoch gesprungen und umgekippt. Langsam läuft der letzte Schluck über den Tisch.
„Das können die doch nicht ernst meinen, die müssen das doch eher gemerkt haben. Die müssen doch mal mitdenken, schließlich sind sie vor Ort.„ Seine Gedanken ein einziges Durcheinander. Langsam erhebt er sich. Er muss nach Hause. Schließlich hat er es Elke versprochen, heute zu ihrem Hochzeitstag. Grade heute.

Die Kerzen verströmen ein weiches, schmeichelndes Licht. Es duftet. Elke weiß, wie sie Gerd verwöhnen kann. Sie hat sich extra für ihn in Schale geschmissen. Erwartungsfroh sitzt sie ihm gegenüber und sieht ihn verliebt an.
"Wollen die mich fertigmachen?“ Gerd ist in Gedanken weit weg. Zu sehr beschäftigt ihn das Geschehene. Was soll er jetzt machen? Schließlich ist er als Abteilungsleiter am Ende für alles verantwortlich. Sein Gedankenkarussell dreht sich schnell und schneller.
"Du machst mich fertig!“ wie durch dicke Watte dringen die Worte zu ihm durch. "Kannst du mir nicht mal heute eine Antwort geben?“ Elke ist aufgestanden und hat sich zu ihm über den Tisch gebeugt. Wut steht in ihrem Gesicht. Dann gibt ein Wort das andere. Schuldzuweisungen werden dem jeweilig anderem entgegengeschleudert.


Kennst Du es?


Schuld und Schuldgefühle

schaffen es immer wieder, uns in ein schlechtes Gefühl zu tauchen und das meist bis über den Kopf. Es ist wie ein Versinken. Wen verwundert es, dass wir es loswerden wollen? Das wir anderen die Schuld geben, nur um es loszuwerden?

Schuldgefühle entstehen, wenn wir eine Begebenheit die wir hervorgerufen haben, nicht mit unseren eigenen Wertvorstellungen, sowie den gesellschaftlichen Konventionen und den zu erwartenden Konsequenzen vereinbaren können.
Übersteigt das Gefühl der Verantwortung unsere Möglichkeiten diese anzunehmen, wird dieses auf andere abgewälzt. Wir wollen dieses Gefühl nicht, also geben wir es weiter. Doch wohin schieben wir es wirklich?

Ob es eine versäumte Arbeit ist, eine falsche Entscheidung, eine falsche Handlung.


FALSCH – im Sinne der Gesellschaft, der bestehenden Moral oder meinem Werteverständnis.


Schuld ist ein Gefühl der Angst. Sie lähmt uns, sie nagt an uns, sie tut weh und klagt an. Immer und immer wieder. Wir bekommen sie nicht los. Auch wenn wir unsere Schuld anderen zuweisen, werden unsere eigenen Gefühle nur gedeckelt und verbannt.
Kurzzeitig scheint es zu funktionieren. Wir beruhigen uns, die schlechten Gefühle verringern sich, doch sie lauern weiterhin in unserer eigenen Finsternis.



Wie gehe ich nun aber mit diesem elenden Gefühl um?



http://www.hanser-literaturverlage.de/buch/der-gefuehlscode/978-3-446-43876-7/

Schuld empfinden – Schuldgefühle besitzen ist ein



„soziales Reparaturwerkzeug“

meint Giovanni Frazzetto in seinem Buch „Der Gefühlscode“.


Also haben diese eine durchaus gute Bedeutung für uns. Denn sie ermöglichen es uns zu erkennen und zu verändern.
  1. Nimm das Gefühl an. Ja ich fühle mich schuldig, ich habe einen Fehler gemacht. Das Gefühl hat jetzt seine Berechtigung. Dieses nach innen kehren bringt das innere Chaos zur Ruhe und Klarheit. Denken ist wieder möglich.
  2. Entwirre die Fakten.
  3. Übernimm die Verantwortung für Dein eigenes Handeln.
  4. Lernen, berichtigen, reparieren, vorwärtsgehen.

Schuld anderen zuzuweisen heißt, in der Funktion des Leidenden zu bleiben, eine Opferhaltung einzunehmen.
Wollen wir Opfer bleiben?


Es ist unsere Entscheidung!



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